Die BewährungAls der 13. August beginnt, sind bereits Zehntausende auf den Beinen. Tausende stehen an der Grenze oder sind auf dem Marsch dorthin. Tausende befinden sich im Betrieb oder bereiten sich auf die Aussprache mit der Berliner Bevölkerung vor. Mitglieder der SED und viele Mitglieder der Blockparteien sowie nicht wenige Parteilose verschieben ihren Urlaub oder brechen ihn ab. Mitarbeiter der Berliner Verkehrsbetriebe, die auf dem Land sind, um der Paten-LPG bei der Ernte zu helfen, fahren schnellstens nach Berlin zurück und stellen sich dem Betrieb zur Verfügung.

Am Vormittag des 13. August finden in allen Stadtbezirken Aktivtagungen der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands statt. Im Stadtbezirk Prenzlauer Berg faßt der Saal die Erschienenen nicht. Eine zweite Tagung wird organisiert. Auch in anderen Stadtbezirken zu kleine Säle; Lautsprecher übertragen die Referate von Hans Kiefert, Waldemar Schmidt, Willi Schmidt, Ernst Stein und anderen führenden Genossen der Berliner Bezirksleitung auf Flure und Nebenräume. Über Zehntausend werden auf diese Weise informiert und erhalten Hinweise für die kommenden Stunden: Die begonnenen Maßnahmen sind schnell und präzis durchzuführen. Jedem Bürger muß klarwerden, daß wir einen starken Staat besitzen, einen Staat der Arbeiterklasse. Die Arbeiterklasse und die anderen Klassen und Schichten wirken bei der Lösung der Aufgaben zusammen. Die bekannten neuralgischen Punkte in den Großbetrieben - besonders den Versorgungsbetrieben - und in der Stadt müssen unter Kontrolle genommen werden.

Nach einem einstündigen Referat beschließt die Aktivtagung im Stadtbezirk Friedrichshain: Etwa 500 Genossen gehen in Gruppen von 20 Personen bis 14 Uhr an die Grenzübergänge, U- und S-Bahnhöfe, um mit der Bevölkerung zu sprechen. Um 14 Uhr erfolgt der zweite Einsatz weiterer 500 Genossen. In den Betrieben werden Stäbe gebildet, die den reibungslosen Ablauf für den 14. August vorbereiten. Jede Provokation wird unterbunden. Die Genossen in den Wohnparteiorganisationen agitieren am 14. August in allen Einkaufsstellen, damit es nicht zu Angstkäufen kommt. Entsprechende Diskussionen werden noch am Sonntag in den Häusern eingeleitet. Dazu wird eine Flugblattaktion genutzt. Ähnliche Beschlüsse werden in allen Stadtbezirken gefaßt.

Die Kreisleitung der SED Berlin-Weißensee beschließt außerdem: In allen Wahlkreisen werden die Büros der Nationalen Front besetzt und Sprechstunden durchgeführt. In jede Gaststätte werden Genossen zur Diskussion entsandt. 30 Genossen gehen zum Milchhof, um die kontinuierliche Versorgung der Bevölkerung mit Frischmilch zu gewährleisten. Obwohl die Kollegen des Straßenbahnhofs Weißensee bereits eine Schicht hinter sich haben, stellen sie sich geschlossen zur Lösung anderer Aufgaben zur Verfügung.

Die mit der SED befreundeten Blockparteien mobilisieren ihre Mitglieder ebenfalls. Diese besetzen ihre Bezirks- und Kreisbüros und führen Gespräche in den Lokalen der Nationalen Front und bei gemeinsamen Einsätzen zusammen mit Mitgliedern der SED. Auch in der Nacht zum 14. halten sich die Funktionäre und viele andere aktive Mitglieder der Parteien des Demokratischen Blocks in Bereitschaft.


Siegfried Lorenz, 1. Sekretär der Bezirksleitung Berlin der FDJ, auf einem Meeting vor dem S-Bahnhof Friedrichstraße


"Keine besonderen Vorkommnisse!"Strom, Wasser, Verkehrs- und Nachrichtenwesen bilden wichtige Voraussetzungen des Lebens in einer modernen Großstadt. Ein eventueller Ausfall - auch nur für kurze Zeit - erzeugt unweigerlich Chaos. Eine Vernachlässigung der Wachsamkeit und Kontrolle wäre ein sträflicher Leichtsinn. In ihrer Planung zur Eroberung der DDR sahen die Militärs der BRD gerade eine Besetzung dieser Nervenzentren der DDR-Hauptstadt vor. Die Bezirksleitung der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands weckt ihn. Da er am Vortag sehr nachdrücklich über seine Pläne für den Sonntag befragt worden ist, liegen Schnitten, Wasch- und Rasierzeug in der Aktentasche bereit. Als Parteisekretär Karl Palmer kurze Zeit später das Kraftwerk Klingenberg betritt, verläuft die Versorgung der Hauptstadt mit Elektro- und Wärmeenergie wie an jedem Tag. Der Auftrag der SED an die Belegschaft des Kraftwerkes lautet: Die Sicherung der Energie- und Wärmeversorgung der Hauptstadt ist unter allen Umständen zu gewährleisten! Die Kampfgruppe muß bereit sein, notfalls das Werk mit der Waffe in der Hand gegen vordringende Feinde zu schützen.

Nach dem Eintreffen des Werkleiters, Wilhelm Knaak, und des Kampfgruppenkommandeurs, Günter Neise, verschafft sich die Leitung einen Überblick über die Besetzung der Nachtschicht und der kommenden Frühschicht. Es erfolgt eine kurze Abstimmung der nächsten Schritte innerhalb der Leitung und mit dem Verbindungsoffizier der Einheiten, die im Falle eines Angriffs dem Werk zu Hilfe eilen würden. Die Kampfgruppe wird alarmiert. Sie und die sich im Betrieb befindenden Mitglieder der SED und die zur Frühschicht eintreffenden Genossen versammeln sich. Der Parteisekretär informiert über die Lage in Berlin und den Kampfauftrag der Partei. Danach erfolgt die Einweisung aller Anwesenden in ihre Aufgaben zur Erfüllung des Kampfauftrages. Die Schwerpunkte des Betriebes werden unverzüglich besetzt und im ganzen Werk regelmäßige Kontrollgänge durchgeführt. Als Karl Palmer in den frühen Vormittagsstunden zur Kreisleitung der SED Berlin-Lichtenberg gerufen wird, kann er melden: "Im Werk sind alle Maßnahmen eingeleitet. Der Betrieb läuft normal. Verteidigungsbereitschaft und Kampfentschlossenheit sind vorhanden. Die Aufklärung der Energiearbeiter erfolgt laufend. Es gibt keine besonderen Vorkommnisse."


Rückkehr der Kampfgruppen des KWO in das Werk


Die kontinuierliche und ungestörte Produktion bestätigt, daß dem Gegner kein Einbruch bei den Beschäftigten des Kraftwerkes Klingenberg gelungen ist. Selbst die Arbeiter, die der damals noch in der Hauptstadt bestehenden und von Westberlin aus gelenkten SPD angehören, stellen sich in ihrer Mehrheit hinter die Errichtung der festen Staatsgrenze. Die gemeinsame Arbeit im Betrieb, die intensive politisch-ideologische Vorbereitung und die Realitäten des sozialistischen Aufbaus in der DDR lassen sie klar ihre Verpflichtungen als Arbeiter in diesem Klassenkampf erkennen. Solche guten und qualifizierten Arbeiter wie Bernhard Stupinski finden später den Weg in die Reihen der SED.


Horst Schumann, 1. Sekretär des Zentralrats der FDJ, zeichnet Genossen der Transportpolizei aus.


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