Das offene TorIn der Planung und Vorbereitung der imperialistischen Kräfte zur Eroberung der Deutschen Demokratischen Republik spielte Westberlin eine außerordentlich große Rolle. Es hat eine Grenze zur DDR von 164 Kilometern Länge. Die 44,75 Kilometer zur Hauptstadt der DDR bildeten bis zum 13. August 1961 die eigentliche offene Grenze zur sozialistischen Staatengemeinschaft. Sie verlief auf unübersichtlichem Gelände, inmitten von Straßen und Häuserblocks, von Laubenkolonien und Kanälen und sogar mitten in der Spree. Im Stadtinnern kam es vor, daß das Haus zur Hauptstadt der DDR und der Bürgersteig zu Westberlin gehörte. Es gab 81 Straßenübergänge und 13 der S- und U-Bahn. Neben den offiziellen Übergängen existierten Hunderte von Schleichwegen. So konnte man beispielsweise von der Brunnenstraße durch einige Keller unbemerkt die Hauptstadt der DDR betreten oder verlassen.

Täglich überschritten 300 000 bis 500 000 Menschen aus den verschiedensten Gründen die Grenze. Allein den Bahnhof Friedrichstraße passierten während eines Tages 285 Züge aus Richtung Westberlin mit über 50 000 Fahrgästen. Nur ein Bruchteil der die Grenze überschreitenden Menschen konnte durch die Behörden der DDR kontrolliert werden.


Die Kontrolle verdarb manchem Schieber das Geschäft.


Berlin (West) war mit der Spaltung Berlins durch die Westmächte und die deutschen Helfershelfer im Jahre 1948 entstanden. Es gehört nicht zur Bundesrepublik, sondern entwickelte sich als besondere politische Einheit, in der jedoch der Kapitalismus am Leben blieb. Die Westmächte - besonders die USA - übernahmen die Garantie für das Bestehen Westberlins als Vorposten der kapitalistischen Welt gegenüber der sozialistischen Staatengemeinschaft. Damit wurde jede Zuspitzung des kalten Krieges von Westberlin aus eine Angelegenheit zwischen dem sozialistischen und kapitalistischen Weltsystem.

Westberlin gehörte mit seinen 2,25 Millionen Einwohnern zu den größten Industriestädten der Welt. Statt mit der DDR in guter Nachbarschaft zu leben und Handel zum gegenseitigen Vorteil zu treiben, mißbrauchten die strategischen Planer des kalten Krieges Westberlin als Störzentrum gegen die DDR. Sie bezeichneten Westberlin selbst als "Pfahl im Fleische des Ostens". Westliche Politiker und Publizisten sprachen deutlich aus, welche Aufgaben die Stadt erfüllen sollte: Verhinderung der Konsolidierung der sozialistischen Gesellschaftsordnung in der DDR und, davon ausgehend, die Infragestellung der Gemeinschaft der sozialistischen Staaten.

Die imperialistische Führung der BRD, die versuchte, Westberlin der BRD einzuverleiben, mißbrauchte die politische und geographische Lage Westberlins, um die wirtschaftliche und politische Entwicklung der DDR zu behindern. Sie beabsichtigte, die besondere Lage Westberlins für den Sturz der Arbeiter-und-Bauern-Macht zu nutzen. Nach Aussage von Strauß investierte die Bundesregierung von 1950 bis 1960 10,92 Milliarden Mark für den Ausbau Westberlins zum Zentrum des kalten Krieges. Mit direkter Hilfe der Westmächte und gestützt auf die Wirtschaftskraft der Bundesrepublik führte diese über Westberlin einen uneingeschränkten Kampf gegen die DDR.


Westberlin - ein Zentrum der Spionage und Diversion gegen die DDR


Die "New York Times" schrieb am 8. Juni 1959: "Niemand versucht ernsthaft die Tatsache zu bestreiten, daß der Westen von Westberlin aus eine ausgedehnte und einträgliche antikommunistische Propaganda- und Spionagetätigkeit betreibt." Bis 1961 hatten sich etwa 80 verschiedene Geheimdienste in Westberlin niedergelassen. Selbst Luxemburg und Taiwan hielten Horchposten und Gucklöcher besetzt. Von Westberlin aus wurden Spione, Agenten und Saboteure in die DDR und die anderen sozialistischen Staaten geschleust.


Mit solchen Ballons wurden Flugblätter und andere Hetzschriften von Westberlin aus in die DDR befördert.


Der Gegner versuchte, mit Rundfunk- und Fernsehsendungen, Filmen und Schundliteratur sowie mit anderen Methoden die Hirne und Herzen der Bürger der DDR zu beeinflussen. Nach Westberliner Schätzungen besuchten 1960 rund 1 000 000 Bürger der DDR - darunter eine sehr große Zahl Jugendlicher - Kinovorstellungen in Westberlin. Der psychologische Krieg gegen die DDR und die intensive antikommunistische Propaganda wirkten sich bei einer Reihe von Bürgern der Deutschen Demokratischen Republik auf die Stellung zur sozialistischen Gesellschaft aus und beeinflußten ihr Handeln.


Von Januar 1960 bis Juni 1961 machten die Sicherheitsorgane der DDR über 4000 konterrevolutionäre Elemente unschädlich.


Besondere Aufgaben in der antikommunistischen Propaganda übertrugen die imperalistischen strategischen Planer den über 120 revanchistischen Organisationen in der BRD und Westberlin. Gern veranstalteten sie ihre Kundgebungen in Berlin (West). Durch die Tarnung dieser Veranstaltungen als "Heimattreffen" lockten die Organisatoren Bürger der DDR nach Westberlin, die sie dort mit antikommunistischem Gedankengut und revanchistischer Literatur versorgten. Im Juni 1960 fanden 27 solcher Treffen statt; im Juni 1961 waren es sogar 41.

Neben der Agenten- und Sabotagetätigkeit von Westberlin aus sowie der Zuspitzung der ideologischen Diversion spielten die verschiedenen Formen der wirtschaftlichen Ausplünderung der DDR eine große Rolle. Die Hauptform bildete die Abwerbung. Die Unternehmer scheuten kein Mittel von der Flüsterpropaganda, über Versprechungen bis zur brutalsten Erpressung. 50 Prozent der Abgeworbenen waren unter 25 Jahren. Besonders gefragt waren Ärzte, Facharbeiter, Ingenieure und Techniker. Um die Abwerbungen durchzuführen, unterhielten Firmen der BRD Vertreter in Westberlin. So führte zum Beispiel die Maschinenbau AG in Kiel die organisierte Abwerbung von Bürgern der Deutschen Demokratischen Republik über ihren "Generalvertreter für Berlin und die Deutsche Demokratische Republik" durch. Dieser Vertreter erhielt von seiner Firma Hinweise, an welchen Personen die Aktiengesellschaft besonders interessiert war. Bis 1960 diente die Abwerbung vor allem zur Erhöhung der Monopolprofite. 1961 wurde sie im Wirtschaftskrieg gegen die DDR forciert und wuchs sich im Verlaufe einiger Monate zu einem Störfaktor erster Ordnung aus.

Ein künstlich aufrechterhaltener Wechselkurs von 1 Westmark zu 4 Mark der DDR wurde von den Unternehmern Westberlins dahingehend ausgenutzt, charakterlich schwache und wenig klassenbewußte Teile der Bevölkerung der Hauptstadt der DDR und der Randgebiete zur Arbeitsaufnahme in Westberlin zu bewegen. Diese Bürger - die die billigen Mieten, Verkehrstarife, Gas- und Lichtpreise, die billigen Grundnahrungsmittel, die vorbildlichen Schul- und Gesundheitseinrichtungen der DDR ausnutzten, ihre Arbeitskraft aber in Westberlin verkauften - wurden Grenzgänger genannt. Genaue Zahlen liegen nicht vor. Am 13. August 1961 waren etwa 60 000 Grenzgänger aus der Hauptstadt der DDR und den Randgebieten Berlins in Westberlin fest angestellt. Sie besaßen zum großen Teil eine hohe fachliche Qualifikation. Nur etwa ein Viertel von ihnen hatte bereits vor der Spaltung Berlins bei Firmen gearbeitet, die in den Westsektoren der Stadt lagen. Ganze Wirtschaftszweige Westberlins profitierten von den Grenzgängern: Beispielsweise kamen 16 Prozent aller männlichen Arbeitskräfte im Wirtschaftszweig Stahl- und Eisenbau, 13 Prozent aller weiblichen Arbeitskräfte im Wirtschaftszweig Schneiderei und Näherei aus der Hauptstadt der DDR und den Randgebieten. Nach überschlägigen Rechnungen hatte allein die Hauptstadt der DDR einen Produktionsausfall durch das Fehlen der Grenzgänger von 2,5 Milliarden Mark jährlich. Welche Ausmaße das Grenzgängerwesen annahm, zeigt ein Beispiel aus dem Berliner Stadtbezirk Pankow.

Hier gab es 6 000 Bürger, die in Westberlin arbeiteten. Aus Mangel an Verkaufspersonal mußten andererseits im August 1961 aber 67 Verkaufsstellen des staatlichen und genossenschaftlichen Handels geschlossen bleiben, 152 hatten verkürzte Öffnungszeiten.

Neben den in Westberlin registrierten Grenzgängern gab es etwa 40 000 Personen, die dort Gelegenheitsarbeiten verrichteten.


Es lebte sich prächtig, wenn man in Westberlin arbeitete, sein Geld zum Schwindelkurs umtauschte und die sozialen Errungenschaften der DDR nutzte.


Die offene Grenze und der Wechselkurs begünstigten einen ausgedehnten Warenschmuggel mit Lebensmitteln und hochwertigen Industriewaren; sie förderten den Raub von Patenten und Rezepturen sowie den Diebstahl von wichtigen und seltenen Rohstoffen. Daneben gab es noch eine Fülle weiterer Formen des Wirtschaftskrieges gegen die DDR.

Der SPD-Bundestagsabgeordnete und Direktor des Instituts für Weltwirtschaft in Kiel, Professor Fritz Baade, errechnete im Jahre 1965, daß die Bundesrepublik der DDR eine Summe von über 100 Milliarden Mark schuldet. Er faßte zusammen: "In gewissem Maße ist unser Wohlstand eine Folge der Diskriminierung der DDR."


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