1961

März

Das offizielle Sprachrohr der militärischen Kreise der BRD "Wehrwissenschaftliche Rundschau" charakterisiert die neue Stufe der militärischen Vorbereitungen der NATO gegen die Staaten des Warschauer Vertrages folgendermaßen: "Da die Möglichkeiten des Westens erschöpft scheinen, vom Osten auf friedlichem Wege ein Nachgeben zu erzwingen, bleiben nur die Möglichkeiten einer gewaltsamen Änderung des Status quo oder die Aufgabe eigener Prinzipien."

1. April

Adolf Heusinger, Planungsspezialist der Überfälle der faschistischen deutschen Armeen im zweiten Weltkrieg, übernimmt in Washington den Vorsitz des NATO-Militärausschusses.

Heusinger treibt die Aufrüstung und die Planung der NATO gegen das sozialistische Lager voran. 1955 sind im Kommando der NATO 4 Verbindungsoffiziere der Bundeswehr, 1958 bereits 200 Offiziere und Spezialisten und 1961 1 200 Offiziere, Unteroffiziere und´ Soldaten, unter ihnen 20 Generale, die bedeutende Kommandostellen einnehmen. Außer General Heusinger gehören unter anderem dazu: General Speidel, der Kommandierende der Landstreitkräfte auf dem Gebiet Mitteleuropas, Konteradmiral Zenker, Kommandierender im Nordseeraum, und Konteradmiral Wagner, Kommandierender im Ostseeraum.


Ehemalige hohe Offiziere der faschistischen Wehrmacht, die 1961 führende Positionen in der NATO einnehmen:

oben v. l. n. r Gerhard Wagner, Wolf Graf v. Baudissin, Ernst Kusserow, Burkhardt Müller-Hillebrand; unten v. l. n. r. Johannes Steinhoff, Hans Speidel, Adolf Heusinger. Im Sommer 1961 gibt es in der Bundeswehr 136 Generale und Admirale, die wegen ihrer während des zweiten Weltkrieges verübten Kriegsverbrechen zu je 20 Jahren Zwangsarbeit verurteilt worden waren.


8.-10. Mai

Tagung der Außenminister der NATO-Staaten in Oslo. Die Anwesenheit der drei Westmächte in Westberlin und die Lebensfähigkeit Westberlins werden garantiert. Um Westberlin als "Pfahl im Fleische" der DDR weiter auszubauen, setzt eine intensive Planungsphase ein, die die ökonomische Erpressung der sozialistischen Staaten, einen lokalen Krieg und einen atomaren Weltkrieg einkalkuliert.


In Westberlin stationierte US-Soldaten proben am 13. Juni 1961 den Einsatz gegen Zivilisten.


21. Juni

Der Oberbefehlshaber der NATO, General Norstad, gibt bekannt, daß die bewegliche Einsatztruppe der NATO - die mit taktischen Atomwaffen ausgerüstete "Feuerwehr" - bereits aufgestellt ist (fünf verstärkte Bataillone aus fünf NATO-Ländern).

28. Juni

General Heusinger meldet dem Präsidenten der Vereinigten Staaten, John F. Kennedy, daß 7 Divisionen der deutschen Bundeswehr bereitstehen, "unverzüglich jede Mission auszuführen".

Anfang Juli 1961 ist die westdeutsche Bundeswehr 311 000 Mann stark; daneben kann das Verteidigungsministerium im Kriegsfalle auf über 500 000 militärisch ausgebildete Kräfte und 2,5 Millionen ehemalige Soldaten des zweiten Weltkrieges zurückgreifen.

3. Juli

Der Oberbefehlshaber der amerikanischen Truppen in Europa, General Clarke, fordert vor Einheiten der US-Garnison in Westberlin die Vorbereitung "auf das äußerste". Von den Soldaten verlangt er "Mut, Entschlossenheit und freiwillige Opfer".

13. Juli - 1. August

Der Verteidigungsminister der BRD, Franz-Josef Strauß, weilt zu einem Besuch in den USA. Sein Ziel: verstärkte Ausrüstung der Bundeswehr mit nuklearen Trägerwaffen, keine Veränderung der NATO-Atomstrategie - wie sie sich bei Kennedy und seinen Beratern abzeichnet -, die Gewinnung der atomaren Rückendeckung der westdeutschen Bundeswehr durch die Vereinigten Staaten für die abenteuerliche Annexionspolitik der Bundesrepublik gegenüber der Deutschen Demokratischen Republik. Er erreicht mit der Führung der USA eine "volle Übereinstimmung über ein weites Programm etwaiger politischer und insbesondere wirtschaftlicher" Maßnahmen, die "von einem Handelsboykott gegen die Zone bis zu Maßnahmen gegen die Sowjets reichen, die nicht milder wären als ein begrenzter Waffengang..."

Mitte Juli

In Bonn treffen sich der Bundesminister für gesamtdeutsche Fragen, Ernst Lemmer, sein Staatssekretär, Franz Thedieck, der Leiter des Referats Allgemeine Psychologische Kampfführung im Verteidigungsministerium, Oberstleutnant Dr. Trensch, sowie Oberstleutnant Mittelstaedt und einige Mitarbeiter des Presse- und Informationsamtes der Bundesregierung, um Aufgaben für die westdeutschen Massenmedien im psychologischen Krieg gegen die Deutsche Demokratische Republik festzulegen. In einer breit angelegten Kampagne soll die SED politisch und moralisch diskreditiert und von der Bevölkerung der DDR getrennt werden.

Dieses Gremium läßt sich dabei von einem Handbuch der Vereinigten Staaten über die psychologische Kampfführung leiten. Darin heißt es unter anderem: "Ziele: Förderung von unzufriedenen Elementen aus religiösen, völkischen, gesellschaftlichen, politischen und wirtschaftlichen Gruppen die mit der Regierung oder untereinander nicht übereinstimmen. Mittel sind die Wege und Kanäle der Verbindung zum Feind. Die wichtigsten sind die strategischen Operationen der psychologischen Kriegführung:

  1. Rundfunk- und Femsehgesellschaften;
  2. durch Flugzeuge verbreitete Literatur;
  3. das Eindringen von Neuigkeiten oder nützlichen Themen;
  4. geplante Gerücht-Kampagnen."

25. Juli

John F. Kennedy kündigt in einer Fernsehansprache eine wesentliche Verstärkung der Rüstungen der USA an. Die Landstreitkräfte sollen auf 1 000 000 Mann, die Kriegsmarine um 29 000 und die Luftwaffe um 63 000 Mann verstärkt werden. In der Absicht, Kriegsbereitschaft zu erzeugen, ruft Kennedy dazu auf, überall im Land Atombunker zu bauen und sie mit einem Vorrat an Lebensmitteln, Wasser und Medikamenten zu versehen. Das ursprünglich geplante Rüstungsbudget der Vereinigten Staaten von 43,8 Milliarden Dollar wird im Laufe eines Jahres auf 51,64 Milliarden Dollar erhöht. Durch die Mobilisierung der Streitkräfte, durch die Verstärkung der konventionellen und atomaren Rüstungen und durch die Entfachung einer Kriegspsychose spitzen die Politiker und Militärs der Vereinigten Staaten von Amerika die Situation in der Welt zu.

28. Juli

Der stellvertretende Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland und Leitende Bischof der Vereinigten Evangelisch-Lutherischen Kirche Deutschlands, Bischof D. Lilje, fordert in einem Fernsehgespräch in Westberlin die Christen der DDR auf, sich für einen bewaffneten Kampf bereitzuhalten.

Man stellt die Frage: "Sind Sie der Meinung, Herr Bischof, daß der Christ in der Sowjetzone heuteschon in einer Situation ist, wo er nach theologischer Situation nicht nur ein passives, sondern auch ein aktives Widerstandsrecht hätte?" Bischof Lilje: "Ich möchte meine Brüder drüben nicht gefährden, indem ich einfach sage: Ja. Aber denken tue ich es wohl. ... Im übrigen würde ich praktisch im Augenblick niemanden den Rat geben, voreilig zu einer Flinte zu greifen. Das würde realpolitisch kein weiser Entschluß sein."

28. Juli

Das europäische Hauptquartier der amerikanischen Armee in Heidelberg ordnet ab 1. August eine erhöhte Alarmbereitschaft der US-Truppen an und schafft Voraussetzungen, daß operationsfähige Verbände jederzeit kampfbereit zur Verfügung stehen.

Juli

Die Zahl der in provokatorischer Absicht durchgeführten Verletzungen der Staatsgrenze der DDR steigt sprunghaft an: Im Mai 1961 sind es 64, im Juni 67 und im Juli 106.


Die Schlagzeilen aus den Massenmedien Westberlins und der BRD im Sommer 1961 gleichen denen der faschistischen deutschen Zeitungen bei der psychologischen Vorbereitung des Überfalls auf Polen im Sommer 1939


"Der Tagesspiegel", Westberlin, vom 27. Juli 1961


1. August

Der Verteidigungsminister der BRD, Strauß, führt auf einer Pressekonferenz in New York laut einer Meldung der westdeutschen Presseagentur dpa aus, der Westen müsse auf eine Art Bürgerkrieg in Deutschland vorbereitet sein.

Anfang August

Die Bundesregierung arbeitet Maßnahmen zur Verstärkung und schnellen Mobilisierung der Bundeswehr aus. Ziel: kurzfristige Herstellung der vollen Kampfstärke aller Divisionen; unverzügliche Erhöhung der Kampfbereitschaft vor allem in den Jagdbombergeschwadern, den Raketeneinheiten, den an die Grenzen der DDR und der CSSR vorgeschobenen Heeresteilen sowie in den amphibischen Kräften; schnelle Einberufung von Spezialisten und Reservisten; Beschlagnahme von kriegswichtigen Mitteln und Materialien.

7. August

Um einen wichtigen Bereich der Lebensmittelversorgung vor allem der Hauptstadt der DDR zu desorganisieren und Unruhe unter der Bevölkerung zu stiften, wird in der Lagerhalle B des VEB Großberliner Vieh- und Schlachthöfe ein Brand gelegt. Der Schaden beträgt 314 900 Mark. Ende Juli/Anfang August gibt es allein in der Hauptstadt der DDR (Berlin) 35 solcher Terrorakte.


Angeregt durch Rundfunksendungen aus Berlin (West), steckte dieser Mann eine Lagerhalle im VEB Großberliner Vieh- und Schlachthöfe in Brand.


8. August

Beginn des Seekriegsmanövers der Marine der Bundesrepublik "Wallenstein IV". Ohne einen Hafen anzulaufen, führen rund 100 Kriegsschiffe der Bundesmarine mit 5 500 Marinesoldaten an Bord in der Ostsee und in der westlichen Nordsee Manöver durch. 20 Marinegeschwader sowie Marinefliegerverbände beteiligen sich an den hafeniosen Übungen.

Das Operationsgebiet der Bundesmarine in der Ostsee liegt dabei in seiner gesamten Breite direkt vor der Küste der DDR. Teilverbände der Kriegsmarine der Bundesrepublik durchlaufen mehrere Male in äußerst provokatorischer Weise das Operationsgebiet der Volksmarine der DDR.


Die "Trautenfels" nimmt 40 Panzer vom Typ M-48, einen Bergungspanzer, einen Tieflader für den Panzertransport und 46 Kraftfahrzeuge in Bremerhaven an Bord.


10. August

Der Befehlshaber der NATO-Landstreitkräfte Europa Mitte, General Hans Speidel, inspiziert im niedersächsischen Raum entlang der Staatsgrenze der Deutschen Demokratischen Republik die zum Angriff längs der Autobahn Helmstedt - Berlin angesetzten Einheiten. Anschließend faßt er die gewonnenen Eindrücke dahingehend zusammen, daß die NATO-Verbände in diesem Raum gerüstet seien.


General Bruce C. Clarke, Oberbefehlshaber der US-Streitkräfte in Deutschland, dekoriert den ehemaligen General der faschistischen Wehrmacht Hans Speidel mit dem Kommandeurskreuz der Verdienstmedaille der USA.


10. August

In Paris vereinbaren Vertreter des Bundespresseamtes der BRD mit Bevollmächtigten der Informationsämter Frankreichs, Großbritanniens und der Vereinigten Staaten ein koordiniertes Vorgehen im psychologischen Krieg gegen die sozialistischen Staaten.

In der Absicht eine antisowjetische Hysterie und "Befreiungs"-Psychose zu erzeugen sowie einen Keil zwischen die Völker der Staaten des Warschauer Vertrages zu treiben, kommen diese Vertreter der vier NATO-Staaten dahingehend überein, ihre propagandistischen Aktivitäten in allererster Linie gegen die Sowjetunion zu richten.


Übung von US-Truppen in Westberlin (April 1961)


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